Faszination Darm: Interview mit Giulia Enders

Die Medizinerin Giulia Enders im Kittel in einem Seminarraum vor einer Tafel

Bild: Gerald von Foris

Verdauung und Stuhlgang sind nicht unbedingt die Themen, die sich für ein launiges Gespräch am Kaffeetisch eignen. Dass der Darm aber ein wahrhaft faszinierendes Organ ist, zeigt Giulia Enders in ihrem Buch „Darm mit Charme“. Unverblümt und einfach erklärt die 24-jährige Medizinstudentin darin seine vielen Funktionen und steckt an mit ihrer Begeisterung für ihr Forschungsgebiet. Wir haben Giulia Enders einige Fragen zu unserem größten inneren Organ gestellt.

BKK Pfalz: Was war denn der Auslöser für Sie, sich mit dem Thema Darm so ausführlich zu beschäftigen?

Giulia Enders: Das war eine starke Hautkrankheit, die ich mit 17 Jahren ganz plötzlich bekam. Kortison half nur so mittelprächtig — wenn ich mal weniger nahm, kam einfach alles wieder zurück. Damals fing ich dann an, mehr über den Körper zu lesen und dachte beim Darm dann nur noch: „Wow — all diese Sachen macht der?“. So viel mehr als nur Essen verarbeiten oder aufs Klo gehen: Er regelt das Immunsystem, mischt bei Krankheiten wie Diabetes oder Rheuma mit und beeinflusst auch das Gewicht. Mit ein paar Selbstexperimenten bekam ich dann auch meine Hautkrankheit gut in den Griff.

Was sagen Ihre Professoren an der Uni zu Ihrer Herangehensweise an das Thema? Schauen die sich Ihre Science Slams* an?

Ich habe zwei ganz tolle Reaktionen bekommen: einmal aus der Gastroenterologie des Uniklinikums Frankfurt und von einem Professor aus der Anatomie. Ich darf sogar einen kleinen Vortrag im Rahmen der anatomischen Vorlesung halten. Das freut und ehrt mich sehr.

Gehen Sie mit Ihrem Darm anders um als andere Menschen? Haben Sie „Geheimrezepte“ für das Wohlbefinden?

Ich gehe mit meinem Darm auf jeden Fall anders um als ich das vor dem Buch getan habe. Ich achte zum Beispiel viel mehr darauf, wie ich mich 3 bis 4 Stunden nach dem Essen fühle. So lange dauert es nämlich, bis so eine ganze Mahlzeit im Dünndarm angekommen ist. Süßigkeiten sind im ersten Moment super — aber später fühlt man sich meist richtig müde. Bei Kartoffelbrei mit Gemüse habe ich vielleicht schneller wieder Hunger, aber fühle mich einfach wohler. So sortiere ich mein Essen ganz anders als früher. Wenn ich viel Stress habe, achte ich darauf, mich am Abend für all die Hektik bei meinem Bauch zu entschuldigen — dann gibt’s ein gutes Essen, das ich in aller Ruhe genieße. Wenn ich mal gar nicht dazu komme, Gutes für meine Darmbakterien zu essen, dann tut's auch ein Löffel Inulin. Dieses Pulver ernährt gute Darmbakterien und bewirkt eine Art Schutzfilm im Darm. Ich habe das Gefühl, dass ich durch meine Freundschaft zum Darm nicht nur sehr viel fitter bin als früher, sondern auch robuster.

Gibt es Dinge rund um den Darm, die auch Ihnen noch ein Rätsel sind?

Na klar! Sehr viele. Ich habe so einen Zettel, auf den schreibe ich alle meine Fragen, Forschungsideen oder auch Fragen von Patienten, die ich nicht beantworten konnte. Ein richtiges Mysterium sind für mich die vielen Darmbakterien, die wir alle noch nicht kennen. Hier liegen womöglich potenzielle Helferlein gegen Diabetes, Übergewicht oder schlechte Laune und niemand weiß, wer sie sind!

Wir als Pfälzer haben ja so bestimmte Leibgerichte wie Saumagen, Grumbeere und Sauerkraut und natürlich unsere Rieslingschorle. Was sagt denn unser Darm dazu — versteht der Pfälzisch?

Unser Darm versteht Köstlichkeit! Er hat nämlich unter anderem auch Sensoren, mit denen er ein bisschen schnuppert, was da so ankommt. Fleisch kann so ein Darm gut verdauen — aber nur, wenn es nicht zu viel wird. Sonst ist die Chance höher, dass Reste unverdaut in den Dickdarm wandern. Dort sitzen viele Bakterien und machen auch mal ungute Stoffe aus Fleischüberbleibseln. Das weiß der eine oder andere vielleicht noch vom Gammelfleischskandal. Bei Alkohol ist es genauso — die Menge macht's! Ein kleines Glas Rotwein wird noch gut abgebaut. Eine Trink-Orgie vermehrt unsere Darmbakterien auch ganz gerne mal um das Tausendfache — so kommt es dann zum morgendlichen „Trompetenkonzert“ oder andersartigen Häufchenkonsistenzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

(*Wissenschaftler präsentieren in diesen Kurzvortragsturnieren ihre Forschungsthemen populärwissenschaftlich dem Publikum, welches sowohl die Themen als auch die Präsentation nach den Kriterien Inhalt, Verständlichkeit und Unterhaltungswert beurteilt.)