Kampf gegen Kilos – kein Kinderspiel

80 Prozent der übergewichtigen Kinder schleppen ihre Kilos mit ins Erwachsenenalter – und haben damit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gelenkschäden. Bei einigen treten diese „Alterskrankheiten“ sogar schon im Kindesalter auf.

Wann ist mein Kind zu dick?

Die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Petra Lührmann weiß aus ihrer Forschung an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, dass der Blick der Eltern sehr subjektiv ist. „Auf der einen Seite gibt es Familien, für die mollige Kinder der Inbegriff von Gesundheit sind. Auf der anderen Seite werden Kinder für zu dick gehalten, obwohl sie nur kräftiger gebaut sind.“ Aussagekräftiger sind die sogenannten Perzentilenkurven bei den U-Vorsorgeuntersuchungen. Hier wird das Gewicht des Kindes mit dem der Altersgenossen verglichen. Liegt der Wert in der Perzentile 85, heißt das, dass 85 Prozent der Kinder im selben Alter weniger wiegen und 15 Prozent mehr. Übergewicht beginnt beim Perzentil-Wert 90, Adipositas – das ist starkes Übergewicht – bei 97. Die Berechnung beruht auf dem Body Mass Index (BMI), allerdings angepasst auf Kinder. „Er berücksichtigt, dass Kinder in bestimmten Jahren stärker in die Streckung und in anderen stärker in die Fülle gehen“, erläutert Petra Lührmann.

Wie bei Erwachsenen kann man auch bei Kindern einen BMI-Wert ermitteln. Hier finden Sie unseren BMI-Rechner. Wichtig für die Bewertung ist aber immer die Rücksprache mit dem Kinderarzt.

Ein Speckröllchen? Kein Drama!

Wenn das Gewicht im Grenzbereich zwischen Normal- und Übergewicht liegt, rät die Ernährungswissenschaftlerin zu Gelassenheit. Stellt der Arzt allerdings ausgeprägtes Übergewicht, also Adipositas, fest, gibt es Handlungsbedarf. Die nachhaltigsten Ergebnisse bei Adipositas erzielen Therapien, die meist in spezialisierten Kliniken beginnen und idealerweise im Alltag weitergeführt werden. Ärzte Ärztinnen und vor allem Ihre BKK Pfalz vermitteln gerne geeignete Angebote. „Der Ansatz ist immer interdisziplinär. Die betroffenen Kinder lernen in der Gruppe, sich gesünder zu ernähren, wieder Spaß an der Bewegung zu finden und Selbstvertrauen zu tanken“, erläutert Petra Lührmann.

Auch bei deutlichen Gewichtsproblemen hilft es wenig, wenn Eltern sich als Diätcoach versuchen und bei jeder Mahlzeit Kalorien zählen. „Übergewichtige Kinder haben meist schon ein vermindertes Selbstbewusstsein“, weiß Petra Lührmann.

Was Hänschen leicht lernt

Wenn eine professionelle Therapie und ein günstiges Klima zu Hause sich ergänzen, sind die Chancen gut, dass das Gewicht des Kindes langfristig im Normalbereich bleibt. „Die besten Effekte erzielt man zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr“, sagt Petra Lührmann. „Erwachsene, die abzunehmen versuchen wissen, wie schwer es ist, geliebte Gewohnheiten abzulegen. Kinder dagegen sind noch relativ offen, und es fällt ihnen leichter, günstige Verhaltensweisen anzunehmen.“

Auf Übergewicht programmiert

Wird Übergewicht vererbt? Da wir im Lauf der Evolution eher mit Mangel als mit Überfluss umgehen mussten, ist der menschliche Körper allgemein darauf ausgerichtet, Energie bestmöglich zu speichern. Übergewichtige sind aber nicht, wie sie selbst oft meinen, „gute Futterverwerter“, bei denen jede Praline sofort auf der Hüfte landet.

Worin sich Übergewichtige von Normalgewichtigen oft unterscheiden, ist dagegen der Sättigungsmechanismus: „Viele Übergewichtige spüren genetisch bedingt nur schwache Sättigungssignale“, erläutert Petra Lührmann. Diese genetische Ausstattung ist heute ein Nachteil, denn viele Faktoren in unserer Umwelt fördern eine Nahrungsaufnahme über das Sättigungsgefühl hinaus. Fast Food, Süßigkeiten und gezuckerte Getränke sind leicht zu haben und oft günstiger als Obst und Gemüse.

Hilfe und Beratung

Unterstützung beim Kampf gegen die Kilos gibt es bei unserem Beratungsprogramm "Gewichts-Coaching PLUS".

Auf der anderen Seite ist es im Alltag schwieriger, die überschüssige Energie abzubauen. Und schon für Kinder ist Sitzen – in der Schule, im Auto, vorm Fernseher – oft selbstverständlicher, als sich zu bewegen.

„Wenn Eltern das Übergewicht zum großen Thema machen, verstärkt das den emotionalen Stress – und der führt oft noch zusätzlich zum Frustessen.“ Die Aufgabe der Eltern ist es, ohne viel Aufhebens gesundheitsförderliche Angebote zu machen: Obst und Gemüse sowie zuckerfreie Getränke regelmäßig bereitzustellen, gemeinsam mit dem Kind zu kochen und zu essen und mehr Bewegung in den Alltag zu bringen.

Aktuelle Zahlen

Seit einiger Zeit gibt es Hinweise darauf, dass sich die Übergewichts- und Adipositashäufigkeit bei Heranwachsenden in Deutschland auf hohem Niveau stabilisiert haben. Laut der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2) von 2014–2017 sind 15 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig. Knapp die Hälfte davon gilt als adipös. Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen.