Frauen und Stress

Immer in Eile, die To-do-Liste unendlich und dazu das Gefühl, den eigenen Anforderungen nie gerecht zu werden: Als „Rushing-Woman-Syndrom“ bezeichnet die australische Biochemikerin und Ernährungscoach Dr. Libby Weaver den Dauerstress, den sie insbesondere bei Frauen beobachtet.

Sind nur Frauen gestresst?

Unser Lebenstempo hat sich in den letzten Jahrzehnten und vor allem mit Verbreitung der digitalen Medien drastisch erhöht. Die evolutionäre Anpassung unseres Körpers verläuft daneben in Trippelschritten – der Mensch steckt körperlich gewissermaßen noch in der Steinzeit. Das betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Moderne Frauen müssen jedoch häufig eine Doppelbelastung schultern: Berufstätigkeit ist selbstverständlich, gleichzeitig bleibt in vielen Familien aber ein Großteil Aufgaben in Haushalt und Familie an ihnen hängen. Auch die Pflegearbeit für Eltern und Großeltern ist ganz häufig „Frauensache“.

Was Dauerstress für den weiblichen Körper bedeutet – zwei Beispiele:

1. Das Nervensystem

Im vegetativen Nervensystem stehen sich Sympathikus und Parasympathikus gegenüber. Der Sympathikus bringt unseren Körper bei Stresssituationen in Stellung: Er beschleunigt den Puls, verlangsamt das Verdauungssystem, fährt die Libido herunter und schüttet das Hormon Cortisol aus. In Ruhephasen erledigt der Parasympathikus ein Regenerationsprogramm. So das Ideal. Nach Beobachtungen von Libby Weaver dominiert bei den meisten Frauen aber der Sympathikus, weil sich eine Herausforderung an die nächste reiht. Das führt zu ständiger Anspannung und innerer Unruhe. Und in so einer Situation verstärken eigentlich harmlose oder gute Gewohnheiten den Stress zusätzlich:

Das geliebte Ritual, Kaffee zu trinken: Denn Koffein feuert das „sympathische Nervensystem“ an.

Übertriebener Sport: Intensives Training nimmt der Körper ebenfalls als Stress wahr. Übrigens: Dauergestresste Frauen stellen oft fest, dass sie trotz Sport und disziplinierter Ernährung nicht abnehmen. Woran das liegt? Solange das Stresshormon Cortisol aktiv ist, wird Fett eingelagert (für eine vermeintliche Hungersnot). Der Körper verbrennt nur Glukose (was langfristig zum Abbau von Muskelmasse führt) und greift die Fettreserven nicht an.

2. Das Hormonsystem

Die häufigste Hormonstörung, die Libby Weaver bei ihren Klientinnen beobachtet, ist eine sogenannte Östrogendominanz. Östrogen ist das Hormon, das in der ersten Zyklushälfte den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut anregt. Nach dem Eisprung sorgt Progesteron dafür, dass die Schleimhaut erhalten bleibt (und erst mit der Monatsblutung abgestoßen wird). Ein Übermaß an Stresshormonen signalisiert dem Körper jedoch, dass eine Schwangerschaft unpassend ist – und der Progesteron-Spiegel sinkt. Ein anderer Grund für die Östrogendominanz im Blut ist, dass die Leber das Hormon nur unzureichend abbaut. Das geschieht, wenn sie beispielsweise durch Alkohol, Koffein und/oder Zucker überlastet ist.

Wichtig für Frauen in den Wechseljahren: Wenn die Eierstöcke ihre Hormonproduktion einstellen, erhält die geringe Menge Progesteron, die in der Nebenniere erzeugt wird, noch mehr Bedeutung. Doch wenn der Sympathikus dominiert, produziert die Nebenniere nur wenig Progesteron. Stress zu reduzieren ist in und vor den Wechseljahren daher entscheidend.

Wege aus der Stressfalle

Jede Frau kennt die individuellen Stressfaktoren in ihrem Leben, und oft weiß sie in ihrem tiefsten Inneren auch, was sie ändern müsste. Um das wirklich umzusetzen, darf sie sich ruhig geeignete Hilfe holen. Doch auch einfache Maßnahmen können das Stresslevel schon senken:

  • Bewusst und tief atmen
  • Ruhige, atembetonte Sportarten wie Yoga, Tai Chi, Qigong
  • Einige Wochen auf Koffein und Alkohol verzichten – und schauen, wie der Körper reagiert
  • Deutlich vor Mitternacht ins Bett gehen und mindestens sieben Stunden schlafen
  • In einem Tagebuch regelmäßig notieren, was gut gelaufen ist und so positive Gedanken zulassen.

Buchtipp

Dr. Libby Weaver: Das Rushing Woman Syndrom
Trias Verlag, 277 Seiten, 19,99 Euro