Rechtliche Vorsorge — miteinander vorausschauen

Wir haben mit der Teamleiterin Pflege der BKK Pfalz, Christina Kroesen, über ihre Arbeit, aber auch über ihre ganz persönliche Sicht auf das Thema „Wie bereite ich mich auf den gesundheitlichen Ernstfall in der Familie vor?“ gesprochen.

REDAKTION: Frau Kroesen, Sie beraten BKK Pfalz-Versicherte, deren Angehörige nicht mehr entscheidungs- und handlungsfähig sind — etwa aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls. Was erleben Sie dabei?

C. KROESEN: Viel Verzweiflung. Angehörige und mitunter auch Betroffene kommen mit der neuen Situation oft nur schwer zurecht. Viele haben sich darüber vorher nie Gedanken gemacht und keine schriftliche Verfügung hinterlegt. Wir verdrängen die Beschäftigung mit dem gesundheitlichen Ernstfall, solange es uns gut geht — das ist ja ganz menschlich, aber eben nicht klug.

REDAKTION: Wie ist das denn bei Ihnen: Haben Sie selbst rechtlich vorgesorgt?

C. KROESEN: Meine Eltern sind über 70, die Schwiegereltern sogar über 80 und richtig fit; meine Söhne sind 17, knapp 22 und 23 Jahre alt. Der älteste Sohn lebt in der Schweiz und ist begeisterter Bergsportler. Während einer heiteren Runde im Kreis der Familie habe ich das Thema angesprochen und zunächst viel Argwohn geerntet. „Ach komm, da sprechen wir ein anderes Mal drüber — uns geht es doch gut — daran wollen wir doch heute gar nicht denken, dass jemandem von uns etwas passiert.“ Typisch und nachvollziehbar — in der Stunde des Glücks hat negative Veränderung keinen Platz. Auf mein Drängen hin haben wir dann einen Tag festgelegt, an dem wir alle entspannt über das Thema sprechen konnten. Klar war schon zu Beginn: Wir wollen die Liebsten und uns selbst gut versorgt wissen, wenn sie oder wir nicht mehr handeln und entscheiden können. Wir wollen kein Risiko, dass sich jemand um die Versorgung kümmert, den wir oder der Betroffene nicht auch selbst gewählt hätten. Wir haben viel gesprochen, aufgeschrieben, was jedem wichtig ist, und auch unseren Emotionen freien Lauf gelassen. Auch ungläubiges Staunen war dabei. So wusste zum Beispiel kaum jemand in der Runde, dass Ehepartner nicht automatisch gegenseitig Bevollmächtigte sind, sondern der Staat in die Belange eingreift. Das zuständige Gericht bestimmt einen gesetzlichen Betreuer, der sich zum Beispiel auch um die finanziellen Dinge kümmert. Oder wussten Sie, dass Eltern keine Auskunft über das eigene volljährige Kind erhalten, wenn dieses nach einem Unfall nicht selbst dazu in der Lage ist?

REDAKTION: Das ist in der Tat schwer verständlich. Welche Verfügungen und Vollmachten sorgen für Klarheit?

C. KROESEN: Mit drei Formularen sichern Sie sich ab für den Fall, dass Sie Ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit verlieren: mit der Patientenverfügung, der Betreuungsverfügung und der Vorsorgevollmacht. In der Patientenverfügung äußern Sie Ihren Willen rund um die medizinische Versorgung und Behandlung. Auch Ihr Wunsch nach bzw. Ihre Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen wird hier vermerkt. Seit 2009 sind Patientenverfügungen für die behandelnden Ärzte bindend. Sie sind verpflichtet, Ihren schriftlich geäußerten Willen umzusetzen. Mit einer Betreuungsverfügung legen Sie fest, wer Ihre Interessen als Betreuer vertreten soll und welche Wünsche Ihrerseits umgesetzt werden sollen, zum Beispiel an welchem Ort Sie gepflegt werden möchten. Genauso können Sie hier festlegen, wer keinesfalls die Betreuung übernehmen soll. Wichtig ist, dass Sie eindeutig in Ihrer Formulierung sind. Nur so können Sie Missverständnissen vorbeugen. Mit der Vorsorgevollmacht legen Sie fest, in welchen Bereichen Ihr Betreuer für Sie tätig werden soll: zum Beispiel in Finanzangelegenheiten, bei rechtlichen Fragen, als Ihr Vertreter bei Behörden, bei Fragen zum Aufenthalt und der Unterbringung, in Gesundheitsangelegenheiten sowie im geschäftlichen Bereich.

REDAKTION: Wie muss so eine Verfügung oder Vollmacht aussehen? Alle drei sollten schriftlich verfasst werden. Eine notarielle Beurkundung ist auch für die Vorsorgevollmacht in der Regel nicht erforderlich, es sei denn, Ihre Vollmacht berechtigt auch unwiderruflich zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken oder Eigentumswohnungen oder zur Aufnahme von Krediten. Es ist natürlich wichtig, dass die Unterlagen im Bedarfsfall auch zugänglich sind.

REDAKTION: Vielen Dank, Frau Kroesen, für die wertvollen Tipps. Wie sind Sie denn als Familie am Tag des Gesprächs auseinander gegangen?

C. KROESEN: Am Ende des Gespräches waren wir alle erleichtert, dass der eigene Wille in der Familie ernst genommen und festgehalten wurde. Es entstand ein ganz starkes Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit zueinander. 

EMPFEHLUNG
Man kann seine Verfügung oder Vollmacht durchaus selbst verfassen. Wer unsicher ist, findet auf unserer Seite Patientenverfügung & Vorsorgevollmacht viele Informationen, Links, Formulierungshilfen und Broschüren zum Download. Außerdem gibt es Infos über professionelle Anbieter, die Sie bei der Erstellung, Aktualisierung und Aufbewahrung der Vollmachten unterstützen.