Singen für Körper und Seele

Sänger wissen es längst, und Wissenschaftler haben es inzwischen bestätigt: Singen erfreut unser Ohr, tut dem ganzen Körper gut und macht glücklich. Dieser Effekt stellt sich auf jedem sängerischen Niveau ein – vom schiefen Duschgesang bis zur himmlischen Arie.

Gesungene Gesundheit

Schon wer nur Musik hört, beeinflusst damit sein Hormonsystem positiv. Ist Selbstsingen noch „besser“? Dieser Frage ist das Institut für Musikpädagogik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt gemeinsam mit dem deutschen Sängerbund nachgegangen. Das Ergebnis: Die Immunabwehr und die Stimmungslage profitieren ganz besonders vom aktiven Gebrauch der Stimme.

Voll im Trend: Singen im „Rudel“

Sie singen gerne und haben Lust auch mal zusammen mit anderen ein Lied zu trällern? Vielleicht ist „Rudelsingen“ dann genau das Richtige für Sie: Dabei treffen sich Menschen zum gemeinsamen Singen — egal, wie gut oder schlecht sie singen können. Der "Rudelführer" leitet die Meute an, dirigiert und spielt manchmal auch selbst ein Instrument. Die Liedtexte stehen zum Mitsingen auf der Leinwand. Notenlesen ist nicht nötig, denn was zählt ist der Spaß. Mittlerweile wird „Rudelsingen“ hierzulande in vielen Städten angeboten. Probieren Sie’s doch mal aus!

Perfektion ist nicht Bedingung

Klar – bühnenreife sängerische Leistungen sind eine tolle Sache. Doch das Singen an sich ist kein Privileg geschulter Profis. Es entfaltet seine wohltuende Wirkung auch ganz ohne Unterricht und Notenblätter, allein im Auto oder unter der Dusche, mit der Familie oder mit den Fans im Fußballstadion. Überall in Deutschland etablieren sich außerdem Chöre, die nicht die Leistung, sondern die Freude an der eigenen Stimme und das Gemeinschaftserlebnis in den Vordergrund stellen. Katharina Bossinger hat langjährige Erfahrung mit solchen Chören. Sie ist Leiterin der Akademie für Singen und Gesundheit (asg) in Ulm, Sängerin, Gesangslehrerin und Songwriterin, Mitbegründerin und Ehrenvorsitzende der Initiative Singende Krankenhäuser e.V. Wir sprachen mit ihr über ihre Erfahrungen mit dem Singen und dem offenen Chor, den sie in Göppingen leitet.

Frau Bossinger, was halten Sie von der Aussage „Ich kann nicht singen“?

Singen ist etwas so Selbstverständliches wie Sprechen oder Laufen — und wem würde es einfallen, die ersten wackligen Schritte eines kleinen Kindes zu kritisieren? Es gibt beim Singen keine Fehler, sondern nur Variationen. Mit solch einem Motto kann sich jeder eingeladen fühlen, auf seine eigene Art zu singen. Begeisterung ist dabei das Wichtigste.

Wie lassen sich deutlich schräge Töne in ein gemeinschaftliches Singen integrieren?

Jeder kennt diese Angst vor Disharmonie, es ist ja eine Art des Ausgeschlossenseins. Da spielt der Leistungsgedanke mit hinein und auch Konzepte davon, was richtig und was falsch ist. Wir suchen als Chor einen Weg, uns davon frei zu machen, indem wir etwas tun, das eigentlich ganz alltäglich ist: Wir kommunizieren mit der Stimme. Das freie Wechselspiel aus Zuhören, dem Lauschen auf die innere Stimme und Nachsingen sorgt dafür, dass wir uns nach und nach aufeinander einschwingen.

Noten lesen – das ist für manche eine echte Hemmschwelle ...

Noten sind nötig, wenn es darum geht, eine Komposition exakt zu reproduzieren. Sie sind aber nicht Voraussetzung, um zu singen! Wir nähern uns einem Stück an, indem wir es zunächst rhythmisch vor- und nachsprechen und dann gemeinsam an der Melodie arbeiten. Wir hören einander zu, wir legen unsere ganze Persönlichkeit in den Gesang. Ganz im Sinne des lateinischen Begriffs personare, durchklingen. So erleben wir im Singen ein heilsames Miteinander. Hier wirkt besonders das zusätzliche Sich-Bewegen und Sich-singend-Begegnen.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie beglückend Singen sein kann?

Eine Mitsängerin im Chor ist schwerhörig und hat ein permanentes Geräusch im Ohr, einen Tinnitus. Dass sie einmal in einem Chor singen würde, hätte sie niemals geglaubt. Das heilsame Singen im Krankenhaus hatte ihr so gut getan, dass sie weitermachen wollte, und so kam sie zu uns in den Chor. Heute freut sie sich, dass sie in ihrem Alltag so viel mutiger geworden ist und ihre Lebensfreude weitergeben kann.

Zahlen & Fakten

Singen erhöht die Konzentration des sogenannten Immunglobulins vom Typ A — ein Antikörper, der an den Schleimhäuten sitzt und Krankheitserreger an vorderster Front bekämpft. Wie lange die positive Wirkung anhält, muss in Studien noch nachgewiesen werden. Außerdem vertieft das Singen die Atmung und trägt direkt dazu bei, dass der Körper bis in die letzte Zelle besser mit Sauerstoff versorgt wird. Sänger tun also ganz nebenbei ihrer Gesundheit Gutes.

In Deutschland singen etwa 3,2 Millionen Menschen in mehr als 60.000 Chören.