Die Zunge

Garantiert gefühlsecht

Sie kann sich winden wie eine Zirkusartistin, hilft bei der Zahnreinigung und ist beim Sprechen unersetzlich: Bei genauer Betrachtung ist die Zunge ein Wunder.

Die Zunge ist nicht nur unser beweglichster Muskel. Mit ihren zahlreichen Nervenbahnen, Geschmacksknospen und der feuchten Schleimhaut erfüllt sie die verschiedensten Funktionen im Körper. Zu ihren wichtigen Fähigkeiten gehört es, Aromen zu identifizieren. Die Zunge sortiert vor und ordnet ein, was wir im Mund haben.

Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass sich jeder Geschmack aus den fünf Elementen süß, sauer, bitter, salzig und umami zusammensetzt. Unter dem aus dem Japanischen stammenden Begriff umami versteht man die fünfte Grundgeschmacksqualität: fleischig und herzhaft, wohlschmeckend. In jüngster Zeit versuchen die Wissenschaftler herauszufinden, ob es eine sechste Geschmacksqualität gibt, denn 2011 fanden deutsche Wissenschaftler einen Geschmacksrezeptor für Fett auf der menschlichen Zunge.

In Zusammenarbeit mit der Nase leistet unsere Zunge viel aromatische Feinarbeit. Im Duett können mehr als 10.000 verschiedene Gerüche unterschieden werden — vom Anisbonbon bis zum Ziegenkäse, vom Altbier bis zur Zabaione. Beide bilden auch ein wichtiges Warnsystem: Saure Milch oder verdorbenen Fisch schmecken wir sofort und was uns nicht guttut, spucken wir schnell wieder aus. Bei einer Erkältung allerdings schwinden Genuss und Warnfunktion, da die Geschmacksnerven ihren Dienst nur eingeschränkt tun.

Tastend auf der Hut

Auch der Tastsinn der Zunge ist unübertroffen. Auf der Zungenoberseite und an den Zungenrändern befinden sich warzenförmige Erhebungen, die Papillen. Sie machen die Zunge rau und vergrößern ihre Oberfläche. In den Papillen sitzen die Sinneszellen für die Tast- und Geschmacksempfindung. Der Tastsinn gibt uns Informationen über die Beschaffenheit der Nahrung: von weich bis knusprig. Die Zungenspitze ist besonders empfindlich: Kein Wunder, dass sie beim Küssen so wichtig ist! Auf der Zungenspitze gibt es so viele Tastrezeptoren, dass wir zwei Druckpunkte separat fühlen können, obwohl sie nur einen halben Milli-meter auseinander liegen. Die hohe Dichte an Tastrezeptoren führt zu einem gefühlten Vergrößerungseffekt: Die Fischgräte im Mund erscheint zum Beispiel viel größer, als sie tatsächlich ist. Ist die Nahrung einmal im Mund, hilft die Zunge dabei, sie zu zerkleinern, mit Speichel einzuweichen und in die Speiseröhre zu transportieren.

Spiegel der Gesundheit

Eine gesunde Zunge ist in der Regel blass-rosa und glatt. Der Speichel hält die Schleimhaut feucht, die die Zunge umgibt. Verändern sich Form und Farbe, deutet das darauf hin, dass im Körper etwas nicht stimmt. Schwellungen und Beläge sind ein Signal für Stoffwechselprobleme und andere innere Störungen.

Nicht verschlucken!

Die Amerikanerin Adrianne Lewis hat die längste Zunge der Welt und kann damit sogar ihre Augen berühren! Sie muss besonders aufpassen, ihre Zunge nicht zu verschlucken. Denn wer weiß, ob das bei ihr so glimpflich ablaufen würde wie beim Bielefelder Fußballprofi Samir Benamar, dem genau das im vergangenen Juli bei einem Zweikampf passierte. Sein Physiotherapeut reagierte zum Glück schnell und konnte den Sportler retten.

Hygieneprogramm für die Zunge

Unsere Zunge hilft durch ständige Reibung auch bei der Dentalhygiene. Dabei sammeln sich auf der Zunge Bakterien, die zum Beispiel in Verbindung mit Nahrungsresten Mundgeruch verursachen können. Deshalb gilt: Besonders für Menschen mit schlechtem Atem ist eine regelmäßige Zungenreinigung mit einem Zungenschaber Pflichtprogramm. Bleibt das Problem trotz sorgfältiger Pflege bestehen, sollte man mal beim Zahnarzt nachfragen.

In Indien und anderen asiatischen Ländern gehört die Zunge schon lange zum Standardrepertoire der Mundhygiene. In Europa setzen sich Zungenschaber erst langsam durch. Die Anwendung eines Zungenschabers ist ganz einfach: Man zieht ihn einige Male mit sanftem Druck von hinten nach vorne über die Zunge. Rückstände spült man mit kaltem Wasser ab. Den Zungenschaber danach einfach an der Luft trocknen lassen, wie eine Zahnbürste. Tipp: Ist kein Zungenschaber zur Hand, kann man auch einen Teelöffel verwenden.