Gefühle gehen unter die Haut
- Datum:
- 17. Dezember 2025
- Lesezeit:
- 3 min
Gefühle haben direkten Einfluss auf unser körperliches und geistiges Befinden. Sie wirken auf unser Herz, unsere Atmung, die Verdauung und sogar auf das Immunsystem. Doch was steckt dahinter – und warum lohnt es sich, auf die Sprache des Körpers zu hören?
Unser Gefühlsleben sorgt für mehr als nur Stimmungsschwankungen: Freude, Trauer, Angst oder Verliebtheit lösen Hormonausschüttungen aus, die den Puls beschleunigen, den Atem anhalten lassen oder Schweißdrüsen aktivieren. So entstehen körperliche Reaktionen, die uns manchmal überraschen – und doch eng mit unserer Gefühlswelt verbunden sind.
„Die Vorstellung, Emotionen seien fest in uns ‚eingebaut‘, gilt heute als überholt“, erklärt der Mainzer Psychotherapeut Dr. Paul Nilges. „Im Gehirn gibt es kein einzelnes ‚Gefühlszentrum‘, keine Schubladen für Wut, Freude oder Neid. Stattdessen arbeiten viele Bereiche zusammen, um in jedem Moment neu zu bestimmen, was wir fühlen – als Zusammenspiel von Erinnerung, Erwartung und aktueller Situation.“ Deshalb könne zum Beispiel ein Lied, das wir hören, je nach Erfahrung Freude, Wehmut oder sogar Ärger auslösen.
Wenn Gefühle krank machen – oder gesund halten
Kurzzeitige Gefühlsausbrüche sind harmlos und oft sogar hilfreich. Doch dauerhaft belastende Emotionen können krank machen. Wer ständig unter Druck steht, setzt den Körper einer Flut von Stresshormonen aus. Diese beeinträchtigen Herz und Kreislauf, schwächen die Verdauung und können das Immunsystem angreifen. Manche chronischen Beschwerden – vom Reizmagen bis zu Rückenschmerzen – haben deshalb oft auch einen seelischen Hintergrund.
Umgekehrt stärken positive Gefühle die Gesundheit: Freude, Dankbarkeit und Gelassenheit senken die Herzfrequenz sowie den Blutdruck und machen das Immunsystem widerstandsfähiger. Schon kleine Glücksmomente – ein Lächeln, eine bestimmte Musik oder ein Spaziergang – können messbare Effekte haben. „Wer die Sprache des Körpers wahrnimmt, versteht nicht nur seine Gefühle besser, sondern auch, wie eng Denken, Fühlen und Körper miteinander verbunden sind“, so Nilges.
Das „Bauchhirn“ als sensibles Zentrum
Besonders eng ist die Verbindung zwischen Gefühlen und Verdauung. Der Darm verfügt über ein eigenes Nervensystem, das sogenannte enterische Nervensystem. Es wird oft als „Bauchhirn“ bezeichnet, weil es unabhängig vom Gehirn viele Prozesse in Eigenregie steuert und gleichzeitig empfindlich auf Stress, Angst, Trauer oder Freude und Verliebtheit reagiert.
Auf die Körpersignale achten
Unser Körper ist ein sensibler Seismograf für Emotionen. Wer seine Signale ernst nimmt, kann früh gegensteuern – mit Pausen, Entspannungsübungen, Bewegung oder bei Bedarf durch Gespräche mit Ärzt*innen und Therapeut*innen. Gefühle zu unterdrücken, ist dagegen selten gesund. Vielmehr lohnt es sich, sie „lesen“ zu lernen und konstruktiv mit ihnen umzugehen.
Das tut gut!
- Bewusst atmen: Tiefes Ein- und Ausatmen beruhigt Herzschlag und Nerven.
- In Bewegung kommen: Ein Spaziergang oder Gymnastik lösen Anspannung, fördern gute Laune und entspannen Muskeln.
- Lachen erlaubt: Humor ist Medizin – Lachen baut Stresshormone ab und stärkt das Immunsystem.
- Musik hören: Lieblingsmusik wirkt wie ein Stimmungsaufheller, senkt Blutdruck und bringt Körper und Seele in Einklang.
- Dankbarkeit üben: Wer sich bewusst kleine Glücksmomente notiert, stärkt die eigene Gelassenheit und Zufriedenheit.
- Natur genießen: Frische Luft, Grün und Sonnenlicht wirken beruhigend und regulieren den Hormonhaushalt.
- Freundschaften pflegen: Enge soziale Beziehungen haben weitreichende positive Effekte auf Körper und Psyche. Sie machen uns glücklich und zufrieden.
Dr. rer. nat. Paul Nilges
war 30 Jahre lang leitender Psychotherapeut am DRK-Schmerzzentrum Mainz. Seither bildet der Psychologe Fachpersonal aus und arbeitet in verschiedenen Fachgesellschaften an Leitlinien für die Schmerzbehandlung mit.