Laktosefrei

Laktoseintoleranz ist mittlerweile zu einer Art Modewort geworden. Annähernd jeder große Lebensmittelkonzern hat heute laktosefreie Getränke und Speisen im Angebot. Aber warum ist der Bedarf offenbar so rapide gestiegen? Gibt es plötzlich so viele Menschen, die Laktose nicht mehr vertragen?

Milch ist was für Kinder

Genetisch gesehen ist die Laktoseintoleranz — also eine Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker — bei erwachsenen Säugetieren (also auch Menschen) vollkommen normal. Denn wir sind als Baby und Kind darauf ausgerichtet, Milch aufzunehmen und zu verdauen. Säuglinge produzieren extra viel Laktase, die dazu da ist, die Laktose zu spalten.

Unser Verdauungssystem stellt sich allerdings mit den Jahren auf die Verarbeitung anderer Lebensmittel um, und unser Körper produziert immer weniger Laktase. Heißt also, dass wir als Jugendliche und Erwachsene nicht mehr dafür „gemacht“ sind, Milch in größeren Mengen aufzunehmen. Es gibt jedoch auch genetische Unterschiede — manche Menschen vertragen Milch und Milchprodukte weiterhin, andere schlechter oder gar nicht.

Andere Länder

Es gibt außerdem große Schwankungen der Laktaseproduktion zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Erwachsene Nordeuropäer etwa produzieren deutlich mehr Laktase als Erwachsene anderer ethnischer Gruppen. In Südostasien sind rund 98 Prozent der Bevölkerung laktoseintolerant, in Deutschland etwa 15 Prozent.

Und auch interessant: schon Ötzi, der Eiszeitmensch, der 1991 in Südtirol gefunden wurde, war laktoseintolerant. Das haben Humangenetiker und Anthropologen bei der Entschlüsselung seiner DNA festgestellt. Laut aktuellen Forschungserkenntnissen ernährte sich Ötzi laktosefrei, also hauptsächlich von Fleisch, Urgetreide, Obst und Gemüse. Und das vor bereits über 5000 Jahren.

Deutschland im Laktosefrei-Trend?

Da die Laktoseintoleranz bei Erwachsenen also eigentlich ein „Normalzustand“ ist, stellt sich die Frage: warum treten offenbar erst in den letzten Jahren vermehrt Probleme bei der Aufnahme von Milchzucker auf?

Erstens nehmen wir heute insgesamt vermehrt Lebensmittel zu uns, die Milchzucker enthalten. Dadurch wird vielen erst bewusst, dass sie ab einer gewissen Menge Probleme wie Übelkeit, Magenschmerzen, Erbrechen oder Blähungen bekommen. Und deshalb wird auch häufiger die Diagnose gestellt als früher.

Die Tricks der Lebensmittelindustrie

Und zweitens haben die Hersteller das Thema für sich erkannt und in den vergangenen Jahren sehr viele neue laktosefreie Produkte auf den Markt gebracht. Nachteil: Oft sind diese doppelt so teuer und manchmal auch fragwürdig. Denn in manchen herkömmlichen Produkten ist ohnehin so wenig Laktose enthalten, dass die Mehrheit der Laktoseintoleranten sie problemlos essen könnte. Es herrscht jedoch eine große Unsicherheit bei den Betroffenen, da die Menge der enthaltenen Laktose auf herkömmlichen Produkten meistens nicht angegeben ist. Und so ist der Griff zum teuren Spezialprodukt mit der Kennzeichnung „laktosefrei“ für viele beruhigender.

Durch die vermehrte Produktion laktosefreier Nahrungsmittel greifen auch immer mehr Menschen, die gar keine Milchzuckerunverträglichkeit haben, zu Spezial-Nahrungsmitteln, weil sie vermuten, dass Laktosefreies generell gesünder sei. Die Lebensmittelindustrie hat es also geschafft, laktosefreies Essen gewissermaßen zu einem Lifestyleprodukt zu machen.

Und alles, was Trend ist, wird von den Medien natürlich umso mehr aufgegriffen und befeuert. Ein Teufelskreis, der dazu führt, dass zum Teil unsinnige und überteuerte Produkte gekauft werden.

Fazit: Vermutlich sind es nicht mehr Menschen geworden, die heute an Laktoseintoleranz leiden als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Denn wie auch Ötzi beweist, handelt sich es hier auch strenggenommen nicht um ein „Leiden“, sondern um eine „natürliche“ Unverträglichkeit. Die Lebensmittelhersteller sind ganz klar die großen Profiteure der „neuen“ Laktoseintoleranz.

Symptome und Ernährung

Obgleich die Laktoseintoleranz quasi eine „natürliche“ Unverträglichkeit ist, sind die Beschwerden gar nicht lustig! Bauchschmerzen, Blähungen, Sodbrennen, Müdigkeit und vieles mehr kann auftreten, wenn man Laktose nicht verträgt.

Solltest du solche Symptome an dir bemerken, insbesondere nach dem Genuss von Milch und Milchprodukten (oder zum Beispiel Vollmilchschokolade!), dann geh am besten sofort zum Arzt und lass dich auf Laktoseunverträglichkeit testen. Manchmal reicht es, die Aufnahme von Milchprodukten zurückzuschrauben, auch gibt es hilfreiche Medikamente.

In den meisten Fällen muss nicht komplett auf Milchprodukte verzichtet werden, denn zum Beispiel enthalten die meisten Hartkäse nur wenig Laktose. Da Milch eine wichtige Kalziumquelle ist, sollte auf jeden Fall auf Alternativen zurückgegriffen werden. Kalziumreiche Lebensmittel wie Kohl, Brokkoli, Fenchel, Lauch, Orangen, Mohn oder Sesam gehören dazu und sollten Platz auf dem Speiseplan finden.

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