Es ist gut zu wissen, wie wir ticken — auch wenn es darum geht, Körpergewicht zu verlieren. Denn unser Gehirn reguliert Appetit und Hunger wesentlich mit. Wie wir das fürs Abnehmen nutzen können, verraten uns zwei Gehirnspezialistinnen in ihrem Buch.
Fast immer stellt sich nach einer Diät der gefürchtete Jo-Jo-Effekt ein. Wir nehmen wieder zu — und dann häufig mehr Kilos, als wir verloren haben. Außerdem fällt esvon Diät zu Diät schwerer, überhaupt Gewicht zu verlieren. „Kein Wunder“, sagen Dr. Iris Zachenhofer und Dr. Marion Reddy. „Unser Körper ist für die Lebensumstände in der Steinzeit konzipiert. Er wehrt sich mit allen Mitteln gegen Nahrungsentzug". Verlieren wir zu schnell Gewicht, ist unser Gehirn alarmiert und setzt im Körper verschiedene Prozesse in Gang, um den Gewichtsverlust zu bremsen und möglichst schnell wieder auszugleichen. Hinzu kommt, dass auch unser Essverhalten einem fest verankerten Automatismus folgt, der als „Programm“ im Gehirn in einem bestimmten Kernbereich, den Basalganglien, gespeichert ist. Was hier in Gang gesetzt wird, läuft unbewusst ab.
Veränderungen funktionieren
Die gute Nachricht: Wir können sowohl unser Essverhalten umprogrammieren als auch die Reaktionen unseres Körpers beeinflussen, wenn wir uns Zeit nehmen und unser Gehirn nicht unter Stress setzen. „Das Gehirn muss sich mit jeder Änderung erst anfreunden und darf sie nicht als Bedrohung empfinden. Deshalb ist unsere Methode auf 12 Monate und 12 Level angelegt“, so Dr. Zachenhofer. Die „Umprogrammierung“ beginnt mit einfachen Übungen, die sich im Schwierigkeitsgrad langsam – sozusagen in gut verdaulichen Portionen – steigern.
Langsam, aber sicher voran
Im ersten Monat, also auf Level 1, geht es nicht darum, Kalorien zu sparen oder gesünder zu essen, sondern uns bewusst zu machen, was wir eigentlich essen und warum. Die Autorinnen empfehlen, ein Ernährungstagebuch zu führen, um den Status quo zu erfassen. Hier ist Mut zur Ehrlichkeit gefragt. Ergänzende Fragen — etwa, wie wir uns beim Essen fühlen oder ob wir gerne unbeobachtet bleiben wollen — lassen schnell erahnen, welche emotionale Tiefe schon auf Level 1 erreicht werden kann.
Hilfreiche Kost
In Level 3 darf immer noch genauso viel und oft gegessen werden wie bisher. Allerdings werden sehr kalorienreiche Lebensmittel durch schlankere Alternativen ersetzt. Jetzt kommt es darauf an, leckeren Ersatz zu finden, damit ein Gefühl von Entbehrung gar nicht erst entsteht. Zum Glück gibt es im Buch köstliche Vorschläge und eine Menge Infos über die Auswirkungen eines hohen Blutzuckerspiegels, den man mit den richtigen Lebensmitteln einfach verhindern kann.
Was alles am Gewicht hängt
Interessant ist auch, was noch alles Einfluss nimmt auf unser Gewicht: wenig Schlaf zum Beispiel. Schlafmangel führt zu weniger Muskelmasse und mehr Körperfett.
Die Autorinnen fordern den Leser aber auch auf, sich mit den Beweggründen für die eigene zu üppige Ernährung zu beschäftigen: Wer oder was hat unser Essverhalten in der Kindheit beeinflusst? Wie empfanden wir die Mahlzeiten in der Familie, als wir klein waren?
Bewegung ist auch dabei
Weil muskulöse Menschen einfach mehr schlemmen dürfen und Bewegung zusätzlich Kalorien verbrennt, kommen wir am Sport nicht vorbei. Aber auch hier gilt: langsam starten. Auf Level 5 reichen noch zehn Minuten am Tag. Erlaubt ist, was wirklich Spaß macht, und mit kreativen Vorschlägen wird nicht gegeizt: Springen Sie doch mal wieder bei Regen über Pfützen! „Grundsätzlich gilt immer: Eine Änderung, die uns guttut, wird einen Monat lang praktiziert, bevor wir uns Neues vornehmen. Das löst keinen Stress aus und kostet kaum Selbstüberwindung. Nach einem Monat läuft das neue Verhalten dann fast automatisch ab, wir haben es in unseren Basalganglien einprogrammiert“, erläutert Dr. Reddy.
Wer sich auf jedes Level freudig einlässt, wird feststellen, dass nicht Entbehrungen zum Ziel geführt haben, sondern ein neu erlernter liebevoller Umgang mit sich selbst dem Essen einen ganz neuen — nicht ganz so wichtigen — Stellenwert gegeben hat und vielleicht so manche tröstende Kalorie nicht mehr nötig ist.